Der Freizeitgolfer

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Silberpokal des “Privat-Golfclub Nordsee-Sanatorium Südstrand-Föhr”

Abb 1. Silberpokal des Privat-Golfclubs Föhr

In einer Online-Auktion des Auktionshauses Plückbaum aus Bonn wurde Ende Oktober 2021 ein Golfpokal versteigert. Das Objekt besteht aus 800er Silber, verfügt über eine Höhe von 17cm und ist circa 200g schwer. Die eintägige Versteigerung begann mit einem Limit von 100 Euro. Den Zuschlag erhielt ein Bieter oder eine Bieterin bei 160 Euro.(1)

Geschaffen wurde dieser Preis im Atelier von Hugo Böhm in Schwäbisch Gmünd, wie die Punzen auf dem Objekt verraten. Schwäbisch Gmünd war in den 20’er und 30’er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Zentrum des Edelmetallgewerbes mit mehreren bedeutenden Manufakturen.(2) Auch ein Silberteller des „Golf- und Landklubs Münster“ (1930-1939), der heute noch als Wanderpokal des „Golfclub Münsterland“ in Burgsteinfurt, nördlich von Münster, ausgespielt wird, stammt aus der Produktion von Hugo Böhm.

Die Inschrift des Silberpokals aus Föhr verweist auf den privaten Golfclub des Nordseesanatoriums Südstrand Föhr. Der Arzt Dr. Karl Gmelin hatte vor mehr als 100 Jahren am Südstrand der Nordseeinsel ein Sanatorium gegründet, in dem er Patienten vor allem durch einen gesunden Lebensstil ohne Alkohol und mit vegetarischer Kost heilen wollte. Dazu gehörte auch regelmäßiger Sport. So verfügte das Sanatorium beispielsweise über ein eigenes „Fitnessstudio“ mit einer Reihe von Sportgeräten. Da zudem viel Bewegung an der frischen Luft empfohlen wurde, passte der Bau einer eigenen Golfanlage gut ins Bild.(3)  

Abb.2 Ansichtskarte der Golplatzanlage. In der Mitte die Par6 Bahn mit dem Grün am Südstrand

Zusammen mit seinem Schwager Carl (Charly) Mensendieck, dem Direktor des Sanatoriums, beschloss Gmelin 1925 eine Golfanlage zu bauen.  Die Idee stammte vermutlich von Mensendieck, der das Golfspiel in einem indischen Gefangenenlager kennengelernt hatte.(4) Für den Bau der Anlage wurde der deutsche Golfsportpionier und Golfplatzarchitekt Bernhard von Limburger engagiert. Erster Vorsitzende des Golfclubs wurde Mensendieck, der die Entwicklung des Golfsports auf der Urlaubsinsel bis zu seinem Tod im Jahr 1963 entscheidend mitbestimmen sollte.(5) Neben seiner Direktorenfunktion im Sanatorium leitete er zudem das in unmittelbarer Nähe gelegene Internat, in dem die Schüler, ebenso wie die Patenten des Sanatoriums, an den Golfsport herangeführt wurden. Somit entwickelte sich, ohne offizielle Kooperation mit dem Deutschen Golf Verband, ein Jugendleistungszentrum(6) aus dem einige der später bei den Senioren erfolgreichen Golfsportler hervorgegangen sind.(7)

Abb. 3 Platzlayout

Die Eröffnung der 9-Lochanlage fand im Jahr 1927 statt. Das Areal lag im Umfeld des Sanatoriums, auf der von der Nordsee abgewandten Seite. Der gesamte Kurs war 2330m lang und unterteilte sich in 3 Par3 Bahnen, 3 Par4 Bahnen und 2 Pa 5 Bahnen. Sehenswert war offenbar die Bahn 6, ein Par6 (!), mit einer Länge von 530m. Sie führte durch eine Waldschneise, zwischen dem Sanatorium und dem sog. Pädagogium hindurch, direkt auf den Südstrand zu. Von dort wurde auf die kurze, nur 135m lange, Bahn 7 zurückgespielt. Bernhard von Limburger beschrieb anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Golfclubs im Jahr 1935 diese Bahn so: „Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von schweren Löchern, vor allem das landschaftlich so hübsche kurze Loch am Meer, bei dem es gilt, auf ein Grün zu spielen, das aus dem Wald herausgeschnitten ist.“(8) Besondere Hindernisse wurden kaum angelegt, „da doch hier an unserer Nordseeküste der Wind, das schönste aller Hindernisse, schon genügend für die Erschwerung des Spieles sorgte!“(9) Die Lage am Wasser sollte an schottische Links-Plätze erinnern, jedoch fehlten die Dünen, die eine solche Bezeichnung gerechtfertigt hätten.(10)


Golfspieler schätzten es, bei frischer Meeresluft, dem Rauschen der Nordsee und den Schreien der Möwen entspannte Stunden abseits des Trubels der Großstädte zu drehen. Der Club erhob keine Mitgliederbeiträge, sondern finanzierte sich ausschließlich durch Spenden.(11)

Abb. 4 Foto des Platzes aus den 60'er Jahren

Eine Besonderheit des Platzes war das mehrfache Kreuzen der Bahnen durch Straßen. Kamen sich Autofahrer und Golfer in den Anfangsjahren kaum ins Gehege so änderte sich dies spätestens nach dem 2. Weltkrieg, als der Tourismus auf der Insel wieder zunahm. Darüber hinaus dehnte sich die Bebauung der Stadt Wyk in den 50’er Jahren aus, sodass das Gelände in den Fokus von Investoren geriet. Nachdem bereits das Sanatorium im 2. Weltkrieg geschlossen und in ein Hotel umgewandelt worden war, musste auch der Golfplatz den Ansprüchen der modernen Urlaubsgäste weichen und wurde 1968 aufgegeben.(12) Bereits 3 Jahre später entstand auf einem angrenzenden Areal die neue 9 Loch-Anlage des heutigen Golfclubs Föhr, die bis in die Gegenwart zu einer 27 Bahn-Anlage erweitert worden ist.


Abb. 5. Detailansicht mit Stifterinschrift

Die zweite Inschrift, auf dem Fuß des Silberpokals, gibt Auskunft über den Stifter des Preises: „gestiftet von Hermann Reincke Hamburg“. Bei dieser Stifterpersönlichkeit handelte es sich um den Hamburger Reeder Hermann Reincke (1864 – 1943), den ehemaligen Inhaber der Großreederei Rob. M. Sloman. Reincke übernahm von 1919 bis 1938 den Vorsitz des Hamburger Golf-Clubs, der 1930 seine Anlage von Hamburg-Flottbeck nach Falkenstein verlegte. Zudem war er von 1924 bis 1928 Vorsitzender des Deutschen Golf Verbandes.(13)  Eine weitere überlieferte Preisstiftung war der „Deutsche Reincke-Pokal“, den Reincke als Ehrenpräsident des DGV, anlässlich der Deutschen Meisterschaften im Juli 1936 in Berlin-Wannsee, für die in den ersten Runden ausgeschiedenen deutschen Damen stiftete.(14)  

Es war die Zeit des sog. Bädergolfs, in der vor allem an Nord- und Ostsee aber auch im Inland wie in Bad Homburg, Baden Baden oder Bad Ems Golfplätze von Großgrundbesitzern und Kurverwaltungen angelegt wurden. Unter dem Dachverband des Deutschen Golfverbandes boomte der Golfsport und lockte Sportbegeisterte aus den Städten auf die neuen Plätze. (15)

Abb. 6 Wettspielanzeige Pfingsten 1936

Auch auf Föhr wurde dieser Trend befeuert und mit offenen Wettspielen Golfer auf die Insel gelockt. Eines dieser Turniere fand Pfingsten 1936 statt. In einer Werbeanzeige in der Deutschen Golfzeitung wurden vom 30. Mai bis 1. Juni insgesamt 5 verschiedene Wettspiele angekündigt: u.a. ein Flaggenspiel über 18 Löcher (Eröffnungswettspiel), ein gemischter Vierer (Preis der Kajüte), ein Zählwettspiel (Preis vom Südstrand) sowie das Annähern und Einlochen über 3 Löcher.(16)  „Das Spiel gegen die Einheit“ gewann Frau Dabelstein aus Hamburg, die schon zusammen mit ihrem Mann den gemischten Vierer für sich entschieden hatte. Wie die Deutsche Golfzeitung in ihrer Ausgabe vom 15.06.1936 berichtete, befand sich der Platz zu Pfingsten in „ausgezeichneter Verfassung“. Zudem „bewährten“ sich die vielen Neuerungen an den Bahnen „bestens“. Der Artikel endete mit einer Danksagung: „Auch an dieser Stelle sei Herrn H. Reincke, Hamburg-Falkenstein, freundlichst gedankt für den uns gestifteten Wander-Pokal, den erstmalig Frau Dabelstein in diesem Jahr gewann.“(17) 

Es spricht vieles dafür, in diesem „Wander-Pokal“ den Silberpokal aus der Online-Auktion des Auktionshaus Plückbaum zu sehen: Hermann Reincke stiftete diesen, bei Hugo Böhm in Auftrag gegebenen, Preis, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Hamburger Golf-Clubs Falkenstein sowie als Ehrenvorsitzender des Deutschen Golf Verbandes, dem Privat-Golfclub Nordsee-Sanatorium Südstrand-Föhr anlässlich dessen Pfingstturniers im Mai/Juni 1936 als Wanderpokal. Womöglich hatten die guten Beziehungen der Hamburger Golfer zum Golfclub Südstrand-Föhr(18)  oder aber das persönliche Interesse Reinckes an der Nachwuchsarbeit des Inselgolfclubs für den Deutschen Golf Verband zu dieser Stiftung geführt.(19) 

Es ist ein großes Glück, dass dieser Silberpokal die zerstörerische Zeit des zweiten Weltkriegs unbeschadet überstanden hat und bis in unsere heutige Zeit hinein überliefert wurde. Die Hoffnung bleibt, dass der Bieter oder die Bieterin sich der Bedeutung des Silberpokals für die Clubge-schichte sowie die Frühzeit des deutschen Golfsports bewusst ist und den Pokal öffentlich zugänglich macht.

Anmerkungen
(1) https://katalog.plueckbaum.de/produkt/0348-pokal-silber-800-hugo-boehm/ (zuletzt aufgerufen am 04.11.2021)
(2) Vgl. hierzu H.W. Bächle. Das Edelmetallgewerbe in Schwäbisch Gmünd. 1983
(3) Andreas Bell, Zeitreise: Das Nordseesanatorium von Wyk auf Föhr, 2021 https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/zeitreise/Zeitreise-Das-Nordseesanatorium-von-Wyk-auf-Foehr,zeitreise3300.html (zuletzt aufgerufen am 04.11.2021)
(4) Bernhard von Limburger: Zehn Jahre Golf auf Wyk, in: Deutsche Golfzeitung XI Heft 12 (1936) S. 15
(5) Vgl. 90 Jahre Golf auf Föhr S. 111ff. https://docplayer.org/30165605-Jetzt-mit-27-bahnen-110.html (zuletzt abgerufen am 04.11.2021)
(6) Siehe hierzu Gehobene Gesellschaftsspiele, Nobles Bädergolf in: Dietrich R. Quanz, Volker Kluge, Christoph Meister: 100 Jahre Golf in Deutschland, Band 2 Glanzzeiten/Schattenseiten 1924-1949, Oberhaching 2007, S. 6-27 bes. 18-19.
(7) So berichtet Bernhard von Limburger: „Wenn auch ursprünglich der Platz in erster Linie für die Kurgäste gedacht war, so zeigte sich bald die interessante Tatsache, daß in dem, ebenfalls Direktor Mensendieck unterstellten Pädagogium, große Begeisterung für Golf erwachte. Es gab Jahre, in denen über achtzig Schüler Golf spielten, und manche heute bekannten Golfer sind aus ihnen hervorgegangen. Diese Heranziehung der Jugend ist ein Verdienst, das Charly Mensendieck und seiner Frau, die beide selbst zu guten Golfern geworden sind, nie vergessen werden darf.“ Bernhard von Limburger: Zehn Jahre Golf auf Wyk, in: Deutsche Golfzeitung XI Heft 12 (1936) S. 15
(8) Ebenda
(9) Ebenda
(10) Freundlicher Hinweis von Christoph Meister, Hamburg.
(11) Vgl. 90 Jahre Golf auf Föhr S. 113. https://docplayer.org/30165605-Jetzt-mit-27-bahnen-110.html (zuletzt abgerufen am 04.11.2021)
(12) Ebenda; Christoph Meister: Südstrand Golf Club, Föhr. (1927 - 1968) https://www.golfsmissinglinks.co.uk/index.php/wales-2/germany/germany-north/1532-germany-sudstrand-fohr (zuletzt aufgerufen am 04.11.2021)
(13) Gehobene Gesellschaftsspiele, Nobles Bädergolf in: Dietrich R. Quanz, Volker Kluge, Christoph Meister: 100 Jahre Golf in Deutschland, Band 2 Glanzzeiten/Schattenseiten 1924-1949, Oberhaching 2007, S. 20-27 u. S. 182; Zum Umzug des Hamburger Golf-Clubs von Flottbeck nach Falkenstein siehe ebenda S. 50; 100 Jahre Hamburger Golf-Club: Eine Biografie in Kürze https://www.golfclub-falkenstein.de/club/historie.html (zuletzt aufgerufen am 04.11.2021)
(14) Vgl. hierzu Bernhard von Limburger: Deutsche Meisterschaften. Wannsee, 20.-26. Juli 1936. In: Deutsche Golf-zeitung XII Heft 5 (1936) S. 15-26.
(15) Speziell zum Bädergolf vgl. Heiner Gillmeister: Deutsche Kurorte als Schaubühnen für die „English sports“ Tennis und Golf. In: STADION. Internationale Zeitschrift für Geschichte des Sports 44/1 (2020) S. 5-33.
(16) Vgl. Deutsche Golfzeitung XII Heft 2 (1936) S. 3
(17) Deutsche Golfzeitung XII Heft 3 (1936) S. 46
(18) So weisen eine Reihe von Wettspielergebnissen des Privat-Golfclub Nordsee-Sanatorium Südstrand-Föhr aus den 30’er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine regelmäßige Beteilung von Golfern aus Hamburg nach. Siehe hierzu u.a. Deutsche Golfzeitung XII Heft 2 (1936) S. 43; Deutsche Golfzeitung XII Heft 3 (1936) S. 46.
(19) Dokumentiert wird dieses Interesse u.a. durch eine Fotografie, die Reincke zusammen mit Carl Mensendieck als aufmerksame Beobachter des Jugendtrainings auf Föhr zeigt. Vgl. Gehobene Gesellschaftsspiele, Nobles Bädergolf in: Dietrich R. Quanz, Volker Kluge, Christoph Meister: 100 Jahre Golf in Deutschland, Band 2 Glanzzeiten/Schattenseiten 1924-1949, Oberhaching 2007, S. 18.   

Abbildungsnachweise:
Abb 1: Auktionshaus Plückbaum GmbH
Abb. 2: Archiv C. Meister, Hamburg
Abb. 3: Archiv C. Meister, Hamburg
Abb. 4: Archiv C. Meister, Hamburg
Abb. 5: Auktionshaus Plückbaum GmbH
Abb. 6: Deutsche Golfzeitung XII Heft 2 (1936) S. 3

Danksagung
An dieser Stelle sei dem Auktionshaus Plückbaum GmbH Bonn für die Publikationsgenehmigung der Fotos des Silberpokals ebenso gedankt, wie Herrn Christoph Meister, Hamburg, für die  Überlassung der Abbildungen aus Föhr sowie für seine fachliche Expertise.


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